Über meine Werkzeuge – 6

Kymatic-Engineering

Schwingungstest für Resonanzdecken bei unserem Harfenbau

Die Ausgangsfrage ist für einen Instrumentenbauer immer: Warum eigentlich schwingt das Holz – und wie schwingt es? Wie können wir das Holz mit unserer Kunst und Technik so bearbeiten, dass es zum idealen Träger jener Schwingungs-Vielfalt wird, die wir als Musik wahrnehmen?

Seit den Ideen und grundlegenden Werken (1) von Sir Francis Bacon (1561 bis 1626) ist das „wissenschaftliche Experiment“ immer mehr in den Vordergrund gerückt. Wir haben bei der Harfe schwingende Saiten – diese übertragen ihre Energie auf eine Holzdecke, die zum Mitschwingen gebracht wird. Wie kann man aber wissen, ob die Holzdecke so gebaut ist, dass sie die Schwingungs-Energie der Saiten optimal „verarbeitet“?

Im Experiment geht es darum, eine Fläche zum Vibrieren zu bringen, die dann sichtbare und – wenn alles stimmig ist – harmonische oder mitschwingende Muster erzeugt.

Historischer Background

Im Jahre 1787 streute Ernst Chladni feinen Sand auf eine quadratische Platte. Dann bestrich er sie an einer Kante mit einem Geigenbogen oder versetzte sie auf andere Weise in Schwingung. Bestimmte, meist harmonische Töne lieferten verschiedene Muster im Sand. Andere, disharmonische Töne und Intervalle führten zu einem Chaos.

Im 20. Jahrhundert gab es vor allem zwei Forscher, dir für uns bedeutsam sind. Hans Jenny führte Chladnis Versuche weiter und bezog auch die Schwingungen von Flüssigkeiten mit ein. Ausführlich dargestellt hat Hans Jenny seine Arbeiten und Erkenntnisse in seinem Monumentalwerk Kymatik (1967).

Die andere Forscherin war die amerikanische Geigenbauerin Carleen Hutchins (1911 – 2009). Ihr Streben galt der Idee, was eine Geige wirklich sein könnte. So beschritt sie auch neue Wege im Geigenbau in Zusammenarbeit mit dem Harvard-Physiker Frederick A. Saunders, der sich auch mit der Akustik von Violinen beschäftigte.

Ausgangspunkt ihrer gemeinsamen Arbeit war, zu ergründen, warum der Resonanzkörper der Geige „singt“. Laut ihren Aussagen hatten in früheren Jahrhunderten die großen Meister wie Stradivari ja „nur“ ihre langjährige Erfahrung, ihr überliefertes Wissen und die täglich Arbeit, die auch von Versuch und Irrtum nicht gefeit war.

So entwickelte Mrs. Hutchins speziell für den Geigenbau das „free-plate tuning“. Bevor die ausgearbeitete Resonanzdecke aus feinem Fichten-Tonholz mit dem Körper der Geige verleimt wird, ist sie eine „free-plate“. Mit ihrer innovativen Technik konnte sie das Schwingungsverhalten prüfen. Mittels eines Lautsprechers brachte sie die Resonanzdecke zum Vibrieren. An den Schwingungs-Figuren kleinster Partikel konnte sie sehen, wo die Decke noch nachgearbeitet werden mußte.

Für derartige Resonanz-Versuche baute ein schwedischer Ingenieur Anfang der 90er Jahre einen Kymatik-Generator für den Geigenbauer Josef Kantuscher in Mittenwald. Dieser Geigenbauer war ein exzellenter Handwerker und Meister seines Faches. Nach seinem Hinscheiden wurde durch eine Schicksalsfügung sein Kymatik-Schwingungskonverter unserer Harfenbau-Werkstätte übergeben.

Kymatic-engineering bei unseren Harfen

Dadurch sind wir in der Lage, die Resonanzdecken schwingungstechnisch so zu testen, dass über die gesamte Bandbreite ein reiner und exzellenter Harfen-Sound gewährleistet ist. Bei diesem Prüfverfahren wird im wörtlichen Sinne die Qualität des Holzes „sichtbar“.

Als Beispiele seien hier angeführt: Die Resonanzprüfung liefert eigentlich nur den Beweis, dass man eben nicht immer „irgendein schönes altes“ Fichtenholz nehmen darf (wie man vielleicht annehmen möchte). Wenn, dann ein sorgfältig geprüftes „gutes altes“ Holz. Oder: dass verleimtes Sperrholz (welches nur für Billig-Produktionen gedacht ist) für eine erstklassige, klangvolle Resonanzdecke – die sich ja in der Zukunft durch das Musizieren erst richtig entfalten soll – vollkommen ungeeignet ist.

Der Kymatik-Generator an einer Harfen-Resonanzdecke

Eine ingenieurtechnische Experimentier-Einrichtung – und sei sie noch so innovativ – darf natürlich nicht dazu verleiten, diese als die einzig mögliche Lösung bei akustischen Fragen zu betrachten. Die sorgfältige Verarbeitung und Handwerkskunst ist immer noch das Nonplusultra. Jedwede „äußere“ Technik kann – richtig angewendet – eine schnelle, praktische, effektive und nützliche Hilfe sein, jedoch gibt es keinerlei technisches Substitut anstelle von langjähriger handwerklicher Erfahrung, Geduld, umfassendes Wissen und Erkenntnis um Akustik im Sinne der Akroasis (2), Feingefühl bei der Wahl des Holzes und dem künstlerischen Verständnis bei eventuellen Abweichungen der Abmessungen oder Saitenzug-Kräfteverhältnisse.

Z. B. Schwingungsprüfung bei 441 Hz.
Speziell für therapeutische Harfen ist ein Vibrationstest bei 432 Hz unerläßlich

Anmerkungen:

(1) Sir Francis Bacon: Novum organon scientiarum, 1620 und Nova Atlantis, 1614
(2) Hans Kayser: Akroasis – die Lehre von der Harmonik der Welt, Verlag Gerd Hatje, Stuttgart 1947

Weitere wichtigste Literatur zum Thema:

Albert Freiherr von Thimus: Die harmonikale Symbolik des AlterthumsBand 1 + 2, Georg Olms Verlag, 1988

Hans Kayser: Der hörende Mensch, Leipzig 1932

Hans Kayser: Lehrbuch der Harmonik, Occident Verlag, Zürich 1950

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Siehe auch:

Über meine Werkzeuge – 1

Über meine Werkzeuge – 2

Über meine Werkzeuge – 3

Über meine Werkzeuge – 4

Über meine Werkzeuge – 5

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