Die Ideen-Welt des Harfenbauers

An Vollmond-Sommerabenden
Wenn Du deine Harfe in der einsamen Natur erklingen lässt
Kannst Du sie vielleicht hören
Die wilde klagende unendlich schöne Musik
Des Feenvolkes unter den Hügeln

Norbert Maier, Michaeli 2001, am Falkensteingebirge

* * * * * * *

Eine Frage, die mir hin und wieder begegnet:
Wie kommst du zu solch außergewöhnlichen Ideen, Formen und Skulpturen deiner Harfen?

Es ist ein schöpferischer Prozess, der sich über ein ganzes Leben spannt. Immer wieder ziehe ich mich in die stillen Höhen der Tiroler Berge zurück. Allein unterwegs, finde ich mich oft auf einem moosgrünen Felsvorsprung wieder, mit Blick über die endlosen Wälder und weiten Täler im Westen.

In der kontemplativen Begegnung mit der Natur beginnt sich etwas in mir zu öffnen. Ich spüre den Wandel der Jahreszeiten – das leise Erwachen des Frühlings, das vergehende Leuchten des Herbstes. Besonders in jenen kaum wahrgenommenen Übergangszeiten – zur Tag- und Nachtgleiche etwa – scheint der Schleier zur Anderswelt ein wenig durchlässiger zu werden. Auch im Tageslauf – wenn das erste Licht des Morgens und das letzte Glühen der Dämmerung einander begegnen – offenbart sich dieser rhythmische Atem der Welt.

Die alten Mythen erzählen, dass genau in diesen Zwischenzeiten die Tore zur anderen Wirklichkeit noch offenstehen – an verborgenen Orten, die man nur mit dem Herzen erkennt.

Manchmal habe ich das Glück, zur rechten Zeit unterwegs zu sein: Wenn der Vollmond sich über die Berge erhebt, die Luft noch warm ist von der Sonne und nach Rinde und Hochmoor duftet. Wenn sanfte Brisen durch die Baumwipfel streichen und eine stille Wachheit in der Natur liegt. Dann – so glaube ich – darf ich manchmal eine Ahnung von jener anderen Musik vernehmen. Vielleicht ist es nur ein inneres Klingen, doch es hat eine Tiefe, die mich berührt. In solchen Momenten scheint es, als ob die Elben – wie Tolkien sie beschrieb – einen Augenblick lang ihre Lieder offenbaren.

Ein solches Lied trägt bei ihm den unvollständig überlieferten Titel: Narquelion la … tu y aldalin Kortirionwen – „Herbst unter den Bäumen von Kortirion“. Dort heißt es:


“ … Du bist der innerste Bezirk der verlassenen Insel, wo noch die Einsamen Scharen weilen. Doch manchmal ziehen sie, unverzagt, langsam hintereinander mit klagenden Harmonien über Deine Pfade. Die heiligen Feen und unsterblichen Elben, die unter den Bäumen tanzen und einander vorsingen – ein sehnsuchtsvolles Lied von Dingen, die waren und noch sein könnten …“


Wenn ich schließlich den Heimweg antrete, erfüllt von diesem inneren Klang und der Sehnsucht, ihn hörbar werden zu lassen, bleibt nur eine Möglichkeit:
Das Spiel der Harfe.

Dann versinke ich – beinahe meditativ – in eine entrückte Welt. Höre in meinem Inneren einen Ton … und manchmal, wenn alles im Einklang ist, erscheint auch das Bild eines Instrumentes vor meinem inneren Auge. Einer Harfe, aus der dieser Klang zu kommen scheint. Dann ist es an der Zeit, sie zu zeichnen – und später: zu bauen.

Mein Traum, meine Vision und mein Beruf ist es,
die klangschönsten Harfen der Welt zu erschaffen.

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